Buch des Monats September 2018
Hannes Köhler: Ein mögliches Leben
Hannes Köhler erzählt in seinem Buch „Ein mögliches Leben“ eine spannende und interessante Geschichte über einen deutschen Wehrmachtssoldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft am Ende des zweiten Weltkrieges. Er verknüpft dies geschickt mit der Familiengeschichte des alten Franz, der sich mit seinem Enkel Martin auf eine Reise in die Vergangenheit und zu den Orten seiner Gefangenschaft in den USA begibt, die er sich seit vielen Jahren gewünscht hat und die er als alter Mann endlich unternimmt.
Ganz nahe ist man dem alten Mann und seinen Erinnerungen an die Zeit seiner Gefangenschaft in den USA, vom Zeitpunkt der Gefangennahme in der Normandie, bei der seine Erleichterung und gleichzeitige Scham über das Davonkommen vom Krieg spürbar ist, bei den Anfeindungen und Übergriffen strammer Hitlergetreuer im Lager in sengender texanischer Sonne und bei seinem Lagerleben in Utah, wo er für einen amerikanischen Offizier als Übersetzer und Fahrer arbeiten darf.
Man spürt in den Erinnerungen seinem Wandel zum Demokraten und den Gründen für sein schweigsames und gegenüber Frau und Tochter abgeschottetes Leben in Deutschland nach. Erst der Enkel Martin schafft es, obwohl sich die beiden Männer bei Beginn der Reise eigentlich fremd sind, dass Franz sich öffnet und auch gegenüber der einstmals verstoßenen Tochter Barbara Sprache und Erklärungen zu finden vermag.
Dass es deutsche Kriegsgefangene gab, die am Ende des Zweiten Weltkriegs über den großen Teich in die USA gebracht wurden, war für mich neu. Die umfangreiche Forschung zu dem Thema hat Köhler gründlich studiert. Zweimal, betont er, hat er auch selbst längere Recherchereise nach Texas und Utah gemacht und erkundet, was heute noch übrig ist von den Baracken, in denen die Deutschen seinerzeit recht komfortabel untergebracht waren. Und das, obwohl sie „Prisoners of War“ waren, Kriegsgefangene, die in ihrem Einsatz alliierte Soldaten, also auch Amerikaner, getötet hatten.
Trotzdem erleben die internierten Deutschen keine Schikane, werden gut verpflegt und moderat zu Arbeitseinsätzen eingeteilt
Dies hat mich tief beeindruckt. Insgesamt zeigt der Roman die tiefen Spuren, die Kriege hinterlassen.
Münster, im September 2018 Angela Tieben