Buch des Monats August 2017
Jane Gardam: Ein untadeliger Mann
In dem Roman wird der Lebensweg von Edward Feathers, genannt Old Filth erzählt. Es beginnt an einem schmerzlichen Punkt, dem Tod von Betty, seiner Ehefrau. Von hier aus gibt es zwei Erzählstränge; einen kürzeren, der zu Feathers’ Ende führt, bildet das Rückgrat des Romans. Während sich Feathers auf dieser kleinen letzten Strecke befindet, schweift die Erzählung zurück entlang des längeren Strangs bis zu seiner Geburt in Malaysia, bei der die Mutter starb, zu seinen ersten Lebensjahren in der warmen Gemeinschaft der Dienstboten seines Vaters in Malaysia und zu dem von seinem Vater verordneten Aufenthalt in England im Alter von 5 Jahren. Die Entsetzlichkeiten in der Pflegefamilie, die Jahre im ersten Internat, an all das erinnert sich Feathers in diesen letzten Monaten seines Lebens, aber weil es eben um Verdrängung geht, wird nie ganz klar, wie viel er selber von den Schrecklichkeiten wahrgenommen hat, die ihm widerfahren sind und die fernzuhalten ihm Betty so treu über die vielen Ehejahre geholfen hat. Sie haben in all den Jahren ihrer Ehe nie offen darüber geredet. Auch die Ehe bildete ja vor allem eine freundliche Oberfläche.
Der alte Richter – spöttisch von sich selbst Old Filth genannt, für Failed in London try Hongkong – ist einer, der mit einer exemplarischen Karriere gesegnet ist, man trifft ihn, im Ruhestand, auf seinem Anwesen im Speckgürtel Londons.
Der Roman erzählt auch einiges über sein späteres Leben als Richter in den südostasiatischen Kolonien, ausführlicher wird dies aber in den zwei weiteren Romanen „Eine treue Frau“ und Letzte Freunde“ beschrieben.
Ironie, gepaart mit ein wenig Nostalgie – das setzt den Ton dieses Buches, beides verleiht ihm etwas Heiteres, etwas Plauderndes, durch das allerdings immer etwas Dunkles scheint.
Jane Gardam ist eine großartige Erzählerin. Sie versteckt das Unerfreuliche unter leicht dahin geplauderten Sätzen. Dabei kann sie ganz wunderbar die Handlungsstränge miteinander verflechten. Mit viel Witz und Ironie erzählt sie von Abgründen, die sich bei einem Blick in die Vergangenheit auftun.
Die Übersetzung von Isabel Bogdan ist ein großartiger Gegenbeweis zu der oft bemühten These, so leicht und witzig wie die Engländer könne man leider nicht schreiben, in diesem schweren Deutsch.
Münster, im August 2017 Angela Tieben